Zweite Kommunale Pflegekonferenz bringt konstruktive Ergebnisse
Am Donnerstag, 28. Juli 2022 fand in der Schloß-Halle in Wurmlingen die zweite Kommunale Pflegekonferenz statt, zu welcher das Landratsamt Tuttlingen eingeladen hatte. Bei der Kommunalen Pflegekonferenz handelt es sich um ein offenes Angebot zum Auf- und Ausbau pflegerischer Angebote, welches kontinuierlich weiterentwickelt werden soll. Ziel ist unter anderem die Vernetzung möglichst vieler Akteure des Pflegesektors. Beteiligt waren sowohl professionelle Akteure aus dem Pflegesektor als auch Bürgerinnen und Bürger.
Landrat Stefan Bär, der die Veranstaltung eröffnete, wies in seiner Eröffnungsrede darauf hin, dass die demografische Entwicklung und die Anzahl pflegebedürftiger Menschen unsere Gesellschaft und die Pflegeversicherung vor zunehmende Herausforderungen stellen wird. Die Pflege im ländlichen Raum sei aufgrund von weiten Wegen für ambulante Pflegedienste und einer häufig schlechteren Infrastruktur dabei eine noch größere Herausforderung als in urbanen Milieus. Gerade im ländlichen Raum bestünden Strukturdefizite, die ein erhebliches Risiko für die zukünftige Versorgung unserer alternden Gesellschaft darstellten. „Umso mehr wächst die Bedeutung von sozialräumlichen und aufsuchenden Angeboten außerhalb stationärer Settings“, so Bär. Der Landrat verwies in diesem Zusammenhang auf das Modellprojekt der sogenannten Modellkommune Pflege, für die sich der Landkreis Tuttlingen als bundesweit einer von drei Landkreisen beworben und den Zuschlag erhalten hat. „Leider befinden wir uns seit über einem Jahr in mehr als zähen Finanzierungsverhandlungen mit dem Bund und am Ende geht es leider wie oft ums Geld. Wir brauchen jedoch eine gute Finanzausstattung, um als Kommunen dieses Modellprojekt umzusetzen“, so Bär weiter. Selbst wenn das Projekt nicht mehr kommen sollte, werde der Landkreis sich anderweitig behelfen und andere Lösungen finden.
Fabian Biselli, Leiter des Kreissozialamtes, begab sich in seinem Grußwort „in die Rolle des Mahners“. Alle Anwesenden hätten verstanden, dass es „in der Pflege nicht fünf vor Zwölf ist, sondern fünf nach“, so Biselli. „Wer pflegt uns oder unsere Angehörigen, wenn der einzige ambulante Pflegedienst auf dem Heuberg seinen Dienst aufgibt und ganze Gemeinden nicht mehr angefahren werden? In welche stationäre Einrichtung gebe ich meine pflegebedürftige Mutter, wenn die naheliegende keinen freien Platz hat und ich keinen Führerschein habe, um sie regelmäßig zu besuchen? Was werden wir tun, wenn bald die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht, pflegebedürftig wird und immer weniger Fachkräfte gewonnen werden können und was passiert, wenn das Klinikum in einer Coronawelle freie Betten braucht und Pflegebedürftige keinen freien Pflegeplatz in einer Einrichtung finden?“ Diese Fragen würden Biselli beschäftigen und ihm zunehmend „Bauchschmerzen“ bereiten.
Auch Biselli verwies auf die Modellkommune Pflege und die Finanzierungsverhandlungen mit dem Bund, die einer wahren „Zermürbungstaktik“ gleichkämen. Dabei „seien es gerade die örtlichen Projekte, die uns als Landkreis zu einer prosperierenden Region wachsen lassen. Und wenn in diesen Zeiten, in denen eine Krise die nächste jagt, kaum Geld für die Pflichtaufgaben da sei, dann bliebe nur die Flucht nach vorn, ins Kreative, neue Wege zu gehen, damit aus dem Mangel an Ressourcen Innovation erwachse“, so Biselli.
Im Anschluss führten Marianne Thoma, Leiterin der Fachstelle für Pflege und Selbsthilfe, sowie Marion Lang, Koordinatorin der Kommunalen Pflegekonferenz, durch das Programm und stellten das Projekt „Weiterentwicklung der qualifizierten Einzelhelfer*innen im Vor- und Umfeld von Pflege“ vor, durch welches in Zukunft nicht nur juristische Personen, sondern auch natürliche (geschulte) Personen, beispielsweise im Haushalt Pflegebedürftiger, aushelfen und Leistungen der Pflegekasse abrechnen können. Die Fachstelle für Pflege und Selbsthilfe des Landkreises Tuttlingen wird dabei zukünftig Servicepunkt werden, zu diesem Thema beraten, Schulungen durchführen und weitere Netzwerkarbeit leisten. „Hierfür wurden wir vom Kuratorium Deutsche Altershilfe ausdrücklich gelobt“, so Landrat Bär.
Weiter stellte Lang, deren Tätigkeit durch Mittel des Sozialministeriums des Landes Baden-Württemberg gefördert wird, die Ergebnisse, welche in insgesamt acht Arbeitsgruppen innerhalb des letzten Jahres erarbeitet wurden, im Rahmen einer Präsentation vor. Eingeladen war auch ein Vertreter der Firma WDS GmbH, der insbesondere zum Thema Pflegeüberleitung, das einen Schwerpunkt der Veranstaltung bildete, referierte.
Anschließend stellte Thoma die Arbeit der Lokalen Allianz für Menschen mit Demenz vor. Hierfür stehen dem Landkreis Tuttlingen Landesmittel in Höhe von insgesamt 30.000 € über einen Zeitraum von drei Jahren zur Verfügung, mit denen ein Kommunikationskonzept entwickelt werden soll. Partner ist die Konzept33 GmbH aus Spaichingen, die im Rahmen eines Agenturpitches im letzten Jahr den Zuschlag erhalten hatte. Die Kernaussage lautet: "DieInitiative „Gedächtnisstütze“ sensibilisiert die Öffentlichkeit im Landkreis Tuttlingen für den Umgang mit Demenz, vermittelt hilfreiche Informationen und vernetzt lokale Akteure im Bereich der Pflege. Ziel der begleitenden Marketingkampagne ist es vor allem, das Thema Demenz im Bewusstsein der Menschen zu verankern“. Dies soll mit dem Symbol einer um den Zeigefinger gewickelten roten Schleife, der Gedächtnisstütze, gelingen.
Im Rahmen von insgesamt sechs Arbeitsgruppen zu verschiedenen pflegerelevanten Themen tauschten sich die Anwesenden engagiert aus und kamen damit Bisellis eingangs geäußerter Bitte nach, „seine Schwarzmalerei ein wenig mit Farbe zu füllen, wie wir im Landkreis Tuttlingen das Unmögliche möglich machen“.
Interessierte und Auskunftssuchende zum Thema Pflege können sich jederzeit mit der Fachstelle für Pflege und Selbsthilfe des Landratsamtes Tuttlingen (Tel. 07461/926-4610, https://fps.landkreis-tuttlingen.de/) in Verbindung setzen.